Wusstet ihr, dass Kinder Nacktbilder von sich verschicken? Sexting ist bei Jugendlichen ein Riesen-Thema: Laut Studien hatte jeder vierte Jugendliche schon mal Sexting-Erlebnisse. Höchste Zeit, dass Eltern etwas darüber lernen.
Hier den Podcast gratis hören:
In dieser Folge unseres elterngerecht-Podcasts geht es um das sensible Thema Sexting. Besonders aus kindlicher Naivität heraus können im Internet verheerende Folgen entstehen.
Axel und Alex sprechen über die Realität in Kinderzimmern, liefern ein warnendes Beispiel und geben wichtige Tipps für Eltern und Lehrer.
Was ist Sexting überhaupt?
Sexting ist das Senden oder Erhalten von anzüglichen Nachrichten bzw. sexuellen Bildern oder Videos über das Internet. Eine einvernehmliche, private Online-Kommunikation über Sex-Themen. Beliebte Plattformen dafür sind auf dem Smartphone u. a. Kik (Was ist Kik?), Snapchat (Was ist Snapchat?) und natürlich auch WhatsApp (Was ist WhatsApp?).
Am PC oder Laptop geschieht dies nicht selten auch LIVE zwischen zwei zufällig vernetzten Chat-Partnern auf Plattformen wie Chatroulette oder Omegle.
Meist werden Fotos oder Videos, die selbstdarstellende Nacktheit oder sexuelle Handlungen zeigen, zwischen Jugendlichen hin- und hergeschickt.
Nackte Selfies werden „Nelfies“ genannt.
Sex-Emojis bei Facebook & Instagram verboten
Doppeldeutige Emojis sind ebenfalls schwer angesagt: Wusstet ihr, dass Facebook und Instagram gerade erst vor einigen Monaten bestimmte Sex-Emojis teilweise verboten haben?
Wer also bestimmte Emojis bei Instagram oder Facebook in anzüglichem Zusammenhang verwendet, dem droht die Sperrung des Accounts.
Was sind beliebte Sexting Emojis?
Die Aubergine gilt beispielsweise als „übliches Sex-Emoji“. Sie dient als Penis-Darstellung und wird oft auch gemeinsam mit dem Tropfen-Emoji verwendet.
Und beim Ansehen des Pfirsich-Emoji kann man ja auch schnell mal auf andere Gedanken kommen, oder?
Wir haben hier mal oft verwendete Sexting Emojis als Grafik für euch zusammengefasst:
Wie viele Kinder und Jugendliche betreiben Sexting?
Es gibt viele Kinder, die zur gegenseitigen Erregung auf digitalen „Dirty Talk“ stehen. Laut dem Leibniz-Institut für Medienforschung (hier geht’s zur Studie) haben 20% der 12-17-Jährigen schon mal sexuelle Nachrichten versendet oder gepostet.
Fast jede/r (94%) gibt dabei an, dass die sexuellen Inhalte an jemanden direkt geschickt wurden. Jeder Zweite (54%) fragt dabei z. B. wie sein/ihr Körper ohne Kleidung aussieht oder welche sexuellen Dinge der/die andere schon getan hat.
Bei Eltern und Lehrern sollten die Alarmglocken bei folgender Zahl läuten:
42 Prozent der befragten Teenager haben auch sexuelle Nachrichten in Form von Texten, Bildern oder Videos schon mal so gepostet, dass andere sie im Internet sehen konnten.
Insgesamt 35 Prozent der Teenager haben in den letzten 12 Monaten Sexting-Nachrichten (Text, Bild oder Video) erhalten.
„Es zeigt sich zudem ein deutlicher Unterschied zwischen den betrachteten Altersgruppen: Während von den 12- bis 14-Jährigen 21 Prozent vom Erhalt intimer oder freizügiger Nachrichten berichten, sind es bei den 15- bis 17-Jährigen bereits 48 Prozent.“
Leibniz-Institut für Medienforschung, 2019
Auch die Antwort auf die Frage, wie gewollt das denn alles ist, ist interessant:
30 Prozent der befragten 12- bis 17-Jährigen geben an, dass sie in den letzten zwölf Monaten ungewollt mit intimen oder anzüglichen Fragen konfrontiert wurden. Die Mädchen sind dabei stärker betroffen (34%) als Jungen (23%).
Und bei allen Zahlen sei noch erwähnt:
Hier wird es bestimmt eine Dunkelziffer geben, die die Fragen nicht ehrlich beantwortet haben. Wer gibt schon gern in einer Befragung zu, dass er/sie sexuell im Internet ist…?
Warum betreiben Teenager Sexting?
Vor allem aus Neugier und Bestätigung. Aber nicht selten auch aus Druck. Viele Kinder beginnen im Teenager-Alter, sich mit ihrer Sexualität auseinander zu setzen – und wollen wissen, ob sie hübsch und begehrenswert sind.
Zudem wird der Versand von erotischen Nachrichten unter Jugendlichen auch als Vertrauensbeweis oder Mutprobe benutzt. So nach dem Motto: „Du traust dich doch eh nicht, mir ein Oben-ohne-Foto zu schicken…“ Einige haben Angst, sonst – wenn sie nicht mitmachen – ausgegrenzt zu werden. Andere glauben, sie könnten ihren Schwarm verlieren, wenn sie keine Bilder schicken.
Auch Pornos sind allgegenwärtig
Die frühe Sexualisierung durch die einfache Zugänglichkeit von Pornografie im Internet ist sicher ein Grund für das Interesse von Teenagern an Sexting:
Laut der BZgA (2015) findet der Erstkontakt mit Pornografie durchschnittlich im Alter von 14 Jahren statt. Mit 15 hat jeder zweite Junge und jedes dritte Mädchen schon mal einen Porno gesehen.
Ein Foto ist schnell gemacht
Kinder haben verschiedene Möglichkeiten, schnell online zu gehen: Smartphones, Tablets Laptops. Es ist sehr einfach für sie, intime Fotos und Videos von sich selbst zu erstellen und weiterzugeben, ohne dass ihre Eltern davon wissen.
Aber was ihr wissen müsst: Ihr müsst die Gefahren, die beim Sexting lauern, kennen – und eure Kinder davor warnen. Wie am besten?
Darüber sprechen Axel und Alex im Podcast (hier gratis anhören).
Missbrauchtes Vertrauen
Im Netz weiß man nie, wer sich wirklich hinter einem Profil verbirgt. Oder wie ehrlich der- oder diejenige ist, denen man etwas sehr Intimes von sich schickt. Im schlimmsten Fall werden die persönlichen Bilder weitergeleitet.
Und Bilder, die einmal im Internet gelandet sind, sind nur schwer dauerhaft wieder zu löschen. Jugendliche sollten verstehen, dass über das Internet oder das Smartphone gesendete Nachrichten, Fotos oder Videos nie wirklich privat oder anonym sind. Vertrauen kann missbraucht werden.
In Sekundenschnelle können leichtbekleidete oder nackte Medien von euren Kindern in die ganze Welt verschickt werden. Das kann zu fiesen Hänseleien führen. Oder zu Mobbing. Auf dem Schulhof und im Netz.
Die schlimme Geschichte von Amanda Todd
Wie sehr eine unbedachte Sekunde alles im Leben ändern kann, zeigt das traurige Beispiel von Amanda Todd. Die Schülerin aus Kanada wurde öffentlich gedemüdigt und verspottet. Weil ihr Selbstbild zerstört wurde, verfiel sie in schwere Depressionen und nahmen sich mit nur 15 Jahren selbst das Leben.
Amanda Todd hatte als 12-Jährige in einem unbedachten Moment in einem Online-Chat per Webcam ihre Brüste entblößt.
Diese Sekunde war der Beginn eines tragischen Endes.
Ein Holländer, den Amanda nie persönlich getroffen hat, veröffentlichte und verbreitete ihr Oben-Ohne-Bild im Internet, weshalb sie stark gemobbt wurde und häufiger die Schulen wechseln musste. 2012 beging Amanda Selbstmord.
Kurz zuvor postete sie noch ein neunminütiges Video, in dem sie schweigend nur mit handgeschriebenen Zetteln ihr Schicksal erzählt:
Ihre ganze Geschichte hört ihr entweder im elterngerecht-Podcast und könnt ihr euch hier in einer CBC News Doku anschauen.
Was ist Sextortion?
Das, was Amanda Todd widerfahren ist, wird als Sextortion bezeichnet: Die sexualisierte Ausbeutung von Menschen mittels Nacktbildern oder anderem pornografischem Material. Eine Erpressungsmethode. Ziel können Geldzahlungen oder weitere Sex-Bilder sein.
Der Holländer, der bei seiner Festnahme 35 Jahre alt war, wurde zu seiner langen Haftstrafe verurteilt.
Die Polizei gibt hier weitere Informationen und Hinweise über Sextortion.
Wie schützt ihr euer Kind?
1. Interesse beweisen
Fragt euer Kind nicht nur, wie es in der Schule oder beim Sport war. Sondern erkundigt euch auch regelmäßig, was euer Kind im Internet erlebt hat. Es ist wichtig, eurem Kind zu signalisieren, dass es sich auch bei Problemen im Online-Leben an euch Eltern wenden kann. Ohne gleich ein Handy- oder Internet-Verbot zu kassieren.
2. Über Risiken sprechen
Euer Kind muss wissen, wie gefährlich und auch gnadenlos das Internet sein kann. Sprecht rechtzeitig über den Schutz persönlicher Daten und Bilder, über Kontaktrisiken (Cyber-Mobbing, Cyber-Grooming), über Extremismus, Gewalt und Pornografie. Sonst ist euer Kind den Weiten des Internets schutz- und ahnungsloslos ausgeliefert.
Schließlich bringt ihr euren Kindern ja auch bei, nicht einfach unbedacht in ein fremdes Auto zu steigen oder bei Fremden an der Wohnungstür zu klingeln und reinzugehen. Im Internet passiert aber genau das, wenn ihr eure Kinder dafür nicht sensibilisiert.
3. Eine Strategie entwickeln
Wenn euer Kind euch anvertraut, dass es Berührung mit Sexting hat und aufgefordert wurde, ein Nacktbild von sich zu schicken, überlegt euch zusammen eine Antwort. Sie könnte zum Beispiel „Nein, mache ich nicht. Mich gibt es nur in echt“ lauten.
4. Kein Gesicht zeigen!
Wenn euer Kind aber „Nelfies“ verschicken möchte, ist das nichts Schlimmes, sondern kann auch wirklich aufregend sein. Bewegt sie oder ihn aber unbedingt dazu, keine wiedererkennbaren Körpermerkmale zu zeigen: Kein Gesicht! Keine Narbe! Keine großen Muttermale! Keine Piercings! Keine Tattoos!
Ein anderer Vorschlag kann auch lauten: „In Ordnung, mach‘ diese Fotos von dir, aber bitte verschick‘ sie nie über das Internet. Zeig‘ sie deinem Schwarm doch einfach bei eurem nächsten Treffen auf deinem Handy und lösch sie hinterher. Oder druck‘ sie hier zu Hause aus und verbrennt sie dann anschließend gemeinsam bei einem romantischen Lagerfeuer.“
Und was ist, wenn es schon zu spät ist?
Ist es bereits passiert, dass intime Fotos eures Kindes im Netz verbreitet werden, habt ein Gespür für dieses sehr sensible Thema. Macht nicht euer Kind dafür verantwortlich. Sondern zunächst den- oder diejenigen, die die intimen Aufnahmen veröffentlicht haben oder einen Erpressungsversuch starten. Unterstützt euer Kind!
- Bei Drohungen mit Veröffentlichungen oder Erpressungsversuchen Anzeige bei der Polizei erstatten und gesicherte Beweise übermitteln (Screenshots, Chat-Verläufe, Mails etc.).
- Die Betreiber der digitalen Plattformen kontaktieren, auf denen sich das kompromittierende Material befindet und um Löschung bitten. Facebook (Was ist Facebook?) und YouTube (Was ist YouTube?) könnt ihr beispielsweise direkt anschreiben und ein Problem melden.
- Falls der Täter bekannt ist, einen Anwalt einschalten und mit ihm über eine mögliche Unterlassungsklage sprechen.
- Nie Geld an Erpresser zahlen. Meist ist es mit einer Überweisung nicht getan.
„Was würde die Oma denken?“
Und zum Schluss noch ein weiterer Tipp, wenn es um das Thema Sexting geht: Bringt eurem Kind die „WWOD“-Regel bei. Die lautet: „Was würde die Oma denken?“ Wenn Oma solche Bilder nicht sehen soll, sollte euer Kind solche „Nelfies“ auch nicht verschicken.